18.Mar 2022

Traumatologie: Weiterversorgung des polytraumatisierten Patienten



Sekundärmanagement

Ziel der weiteren Versorgung ist es, eine möglichst optimale Grundlage für eine anschließende chirurgische Versorgung zu schaffen und die Komplikationsrate (z.B. Wundinfektionen) zu reduzieren.

Wundversorgung

  • Säuberung und Abdeckung offener Wunden, ggf. Wunddebridement sowie Evaluierung möglicher chirurgischer Maßnahmen
  • Beurteilung der Wunde inkl. Prognose. Grundsatz: Je mehr Weichteilverletzung, z.B. durch Quetschung, desto geringer ist die Durchblutung und damit schlechter die Wundheilung
  • Wunden, welche einen offenen Pneumothorax verursachen, sollten möglichst zeitnah chirurgisch versorgt werden

Frakturen

  • Besondere Vorsicht gilt bei Wirbelfrakturen (Wirbelluxationen). Handelt es sich um eine oder mehrere Frakturen? Welche Veränderungen ergeben sich im Neurostatus (s.u.)? CAVE Handling des Patienten - möglichst nur durch erfahrenes Personal
  • Offene Frakturen: Initiale Gabe von Antibiotika i.v. ; anschließend weitere präoperative Versorgung (Dekontamination der Wunde, Austrocknung vermeiden) und zeitnahe Chirurgie
  • Ggf. Immobilisation bis zur OP
  • Beckenfrakturen: Erhöhte Gefahr innerer (arterieller) Blutungen - zeitnahe Abklärung und Versorgung, Überwachung des Hämatokrits - ggf. Plasmaexpander oder Bluttransfusion
  • Abschließend Reevaluierung: Sind alle Knochenanteile abgeklärt? Offene Frakturen sind nicht immer ersichtlich: Mögliche Lufteinschlüsse in der Röntgenaufnahme sind weiter hinweisend. Zahn,- und Unterkieferfrakturen (Ktz!) nicht übersehen!

Luxationen

  • Zu den häufigsten Luxationen zählt die Hüftgelenksluxation (craniodorsal oder ventral)
  • Reposition in Narkose (Muskelrelaxation) - kann innerhalb von 72 h nach Trauma erfolgen, und bei Bedarf deshalb etwas “hinten angestellt” werden. Aufklärung der Besitzer, dass Reluxation möglich ist sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit Arthrose am betroffenen Gelenk entstehen wird
  • Möglicherweise chirurgische Intervention erforderlich, bei Wirbelluxationen keine manuelle Reposition

Eingehende neurologische Untersuchung

  • Der Zeitpunkt muss individuell abgestimmt auf den Zustand des Patienten erfolgen und kann möglicherweise erst nach 24-48 Stunden zuverlässig (!) sein
  • Wichtigster Untersuchungspunkt: Beurteilung bzw. Vorhandensein von Tiefensensibilität - entscheidend für die Abgabe einer Prognose bzw. des weiteren Therapieverlaufes bei einem Rückenmarkstrauma. Bei ausbleibender Tiefensensibilität ist die Prognose sehr schlecht bis infaust
  • An einem Patienten, welcher sich im Schock befindet, kann der Test des Tiefenschmerzes nicht zuverlässig durchgeführt werden!
  • Wichtig: Bei Untersuchung auf Tiefenschmerz muss der Patient deutliche Abwehrreaktionen zeigen! Ein alleiniges Wegziehen der Gliedmaße stellt lediglich einen Reflex dar und ist kein Zeichen für vorhandenen Tiefenschmerz.

Wie geht es weiter?

Eine engmaschigen Überwachung des Verlaufszustandes sollte bei hospitalisierten Patienten in den ersten 24-48 h immer erfolgen. Zentrale Fragestellungen lauten:

  • Wie ist der Allgemeinzustand?
  • Muss die Menge der Infusion/Zeiteinheit angepasst werden?
  • Wie sind die Laborwerte wie Albumin + Hämatokrit? Benötigt mein Patient möglicherweise Plasmaexpander oder eine Bluttransfusion?
  • Ist der Säure-Bases-Status im Normbereich?
  • Benötigt mein Patient weitere Medikamente oder Veränderungen im Schmerzmanagement?
  • Sind Abdominaltrauma abgeklärt bzw. ausgeschlossen? → Abdomensonographie


Die kontinuierliche Reevaluierung des Patienten und die Frage “Habe ich alle Organsysteme abgeklärt?” runden die optimale Weiterversorgung ab.

 

Haben Sie weitere Fragen zur Versorgung des polytraumatisierten Patienten, beispielsweise:
Wie gehe ich vor, wenn ein Patient mit Luxation eine bestehende hgr. HD oder Gelenksarthrose hat? Ist der Therapieplan für meinen Patienten optimiert?

Kontaktieren Sie gerne die Spezialisten von DiploVets, welche Ihnen bei Ihrem persönlichen Fall zeitnah beratend zur Seite zu stehen.

 

Literaturverzeichnis: Auf Anfrage

Autorin des Artikels:

Tierärztin med. vet. Julia Brüner