15.May 2022

Melatonin in der Veterinärmedizin


Dem Hormon Melatonin wird als Hauptfunktion die Regulierung des Tag-Nacht-Rhythmus zugeschrieben. Bei Tageslicht wird die Bildung gehemmt, bei Dunkelheit angeregt -  die Melatoninproduktion zeigt dementsprechend auch jahreszeitenabhängige Varianzen, wodurch u.a. der Fellwechsel stimuliert wird sowie der Einsatz bei einigen Formen der Alopezie erfolgreich sein kann (Stimulierung Anagenrate).


Die Melatoninproduktion sinkt im Alter, was eine mögliche Brücke zum Einsatz des Melatonins bei älteren Hunden darstellt.

Generell gibt es für den Einsatz von Melatonin in der Veterinärmedizin wenige aussagekräftige Studien, vieles beruht auf praktischen Erfahrungen. Vereinzelte Studien haben sich mit dem Einsatz bei Epilepsie (antikonvulsiver Effekt bei nächtlichen Anfällen) beschäftigt, aussagekräftige wissenschaftliche Untersuchungen dazu fehlen jedoch bislang.

Bekannte Indikationen für den Einsatz von Melatonin

Dosierungsangaben sind als Richtwerte zu verstehen und müssen ggf. individuell angepasst werden.

  • Anästhesie: Laut einer Dissertation von 2020 führt der präoperative Einsatz von Melatotin (5mg/kg p.o. 2 Std. vor Narkoseeinleitung) zu einem ruhigeren Verhalten der Hunde sowie einem verringerten Einsatz von Propofol.
  • Dermatologie: Alopezie X bzw. follikuläre Dysplasien: Verschiedene Angaben zur Dosierung sind vorhanden: Je nach Autor  2-4 mg/kg bzw. 3-6 (12) mg/Tier 1-3x tgl. über ca. 2-3 Monate. Einsatz teilweise mit hohem, teilweisen mit ausbleibendem Erfolg.
  • Canine pattern baldness (Schablonenkrankheit)
  • Saisonale Flankenalopezie : Eine Verbesserung ist nach 1-3 Monaten zu erwarten
  • Farbmutantenalopezie :  1.5–6 mg 2-3x tgl.
  • Auch die präventive Gabe (3-6 mg 1-2 x täglich), beginnend ca. 4 Wochen vor möglichem Beginn des Haarverlustes, kann teilweise erfolgreich bei einigen Formen der follikulären Dysplasie eingesetzt werden.
  • Hyperadrenocortizismus: Melatonin als “Gegenspieler” des Cortisols, hilft das Haarwachstum bei Cushing-induzierter Alopezie zu stimulieren. Kann den Cortisolspiegel senken, genauere Untersuchungen fehlen. Erfolgreiche Berichte über den gemeinsamen Einsatz mit Lignanen (sek. Pflanzenstoffe) bei atypischem Cushing existieren. Mögliche Dosierung: 1-6 mg (je nach Hundegröße) 2x tgl.
  • Sexualverhalten: In den USA wird Melatonin als Kastrationschip für Katzen und Kater eingesetzt, besonders gerne vorübergehend bei Zuchtkatzen, da die spätere Zuchttauglichkeit erhalten bleibt. In Europa hat die Veterinärmedizinische Universität Wien auch an dieser Methode gearbeitet: Der Chip wird zwischen 2 Rolligkeiten gesetzt und unterdrückt die nächste Rolligkeit für 3-4 Monate. Das Implantat kann auch nach der Geburt gegeben werden, die wiederholte Applikation ist möglich.  Allerdings muss erwähnt werden, dass die Wirkung und Wirkdauer nicht absolut zuverlässig sind und die Implantate in Europa nach aktuellem Kenntnisstand momentan nicht erhältlich sind.
  • Verhalten: Ausgeprägte Geräuschangst (1,5-6 mg je nach Hundegröße) sowie altersbedingte nächtliche Unruhe bzw. Angststörungen (z.B. bei Caniner kognitiver Dysfunktion). Nächtliche Unruhe der Katze: 3-12 mg/Tier p.o. 1-2x tgl


Die Langzeitwirkungen sowie mögliche Wechselwirkungen mit Sexualhormonen sind weder in der Human- noch in der Veterinärmedizin ausreichend erforscht, weshalb die dauerhafte Gabe von Melatonin nur nach gründlicher Abwägung erfolgen sollte.

Melatonin hat eine relativ kurze Halbwertszeit, die Einnahme bei 1x tgl Gabe sollte daher vorzüglich 1-2 Std. vor der Nachtruhe erfolgen. Messungen aus der Humanmedizin ergaben, dass die Bioverfügbarkeit sowie der Wirkungseintritt bei gleichzeitiger Aufnahme mit Nahrung verringert bzw. verzögert ist, weshalb Melatonin vorzugsweise nicht mit dem Futter gegeben werden sollte.

Zulassung

In der Humanmedizin gibt es für Schlafstörungen bei älteren Menschen zugelassene Medikamente. Es gibt zudem einige frei verkäufliche Präparate in den gängigen Drogerien, diese werden z.B. gerne gegen Jetlags eingesetzt.
In Deutschland gibt es aktuell kein zugelassenes veterinärmedizinisches Präparat mit Melatonin.  Sollten Ihre Kunden Melatonin in der Drogerie kaufen, muss darauf geachtet werden, dass kein Xylitol enthalten ist!

In den USA ist die Einnahme von Melatonin gängiger und eine Vielzahl von Präparaten mit teilweise höheren Dosierungen sind sowohl für die Human- als auch Veterinärmedizin auf dem Markt erhältlich.

Bekannte Nebenwirkungen und Gegenanzeigen

Sowohl in der Human-als auch Veterinärmedizin fehlen ausgiebige Studien über Neben- und Wechselwirkungen oder Gegenanzeigen, Melatonin ist jedoch bislang als sehr nebenwirkungsarm beschrieben.

Folgende Dinge sollten jedoch Erwähnung finden:

  • Aus der Humanmedizin sind bekannt Schläfrigkeit und Konzentrationsprobleme. Dem kann allerdings durch eine korrekte Einnahmezeit (Abends) und Verzicht auf einen dauerhaften Einsatz entgegengewirkt werden. Kopfschmerzen werden auch als Nebenwirkung genannt.
  • Einfluss auf Sexualhormone und Fertilität: Daher nur bei adulten, nicht trächtigen oder zur Zucht genutzten Hunden oder Katzen einsetzen.
  • Die Verstoffwechselung erfolgt größtenteils über die Leber, daher Einsatz bei Hepatopathien ggf. vermeiden
  • Zum Einsatz bei Niereninsuffizienz liegen keine zuverlässigen Werte vor
  • Der mögliche Einfluss auf Schilddrüsenhormone sollte überwacht werden

Wechselwirkungen

Melatonin kann bei gleichzeitiger Gabe von Benzodiazepinen oder Succinylcholin deren Wirkung verstärken.

Labor

Die Bestimmung des Melatonin-Blutspiegels ist bislang in den gängigen Labors nicht möglich und Referenzwerte nicht vorhanden.

 

 

Literaturverzeichnis: Auf Anfrage

Autorin des Artikels:

Tierärztin med. vet. Julia Brüner