22.May 2022

Interview mit Frane Ivasovic, Spezialist für Kleintierkardiologie Res.ECVIM-CA (Board Eligible)


Diplovets: Wie hilft Telemedizin durch Spezialisten aus Ihrer Sicht den behandelnden Tierärzten?


Frane Ivasovic: Ein großer Vorteil der Arbeit in einer Einrichtung mit mehreren Personen mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund (z. B. in einem Universitätsklinikum) ist, dass jeder einen Fall mit seiner eigenen Brille interpretieren kann; und ich finde, dass die Telemedizin eine Möglichkeit ist, dem behandelnden Tierarzt dieses positive „Teamwork“-Gefühl zu vermitteln und eine neue Perspektive auf den betreffenden Fall einzunehmen.

Diplovets: Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile der Telemedizin?

Frane Ivasovic: Ein großer Vorteil ist, dass Sie das Fachwissen eines Spezialisten bequem von Ihrer eigenen Klinik aus nutzen können.

So können Sie beispielsweise bei einem instabilen Patienten mit Dyspnoe mit einfachen Ultraschalltechniken, wie ein „focused Cardiac Ultrasound (FCU)“ (1,2), „focused assessment with sonography for trauma (FAST)" (3) oder „lung ultrasound (LUS)" (4) Videos aufnehmen, eine erste Behandlung einleiten und dann den Facharzt via Telemedizin um Rat fragen, wie die Therapie fortgesetzt werden kann.

Dieses Feedback ist nicht nur für den betreffenden Fall nützlich, sondern ermöglicht auch dem behandelnden Tierarzt, sein Wissen zu erweitern.

Ich persönlich habe von mehreren Kollegen echokardiografische Bilder erhalten, die es oft erlaubten, Fragen über das Vorhandensein möglicher ernsthafter Herzprobleme zu beantworten und gegebenenfalls weitere kardiologische Abklärungen einzuleiten.

So kann beispielsweise ein in der Praxis korrekt durchgeführtes EKG (auch die Position des Patienten ist wichtig!) (5,6), den gleichen diagnostischen Wert haben wie ein von einem Spezialisten durchgeführtes EKG!

Diplovets: Was benötigen Sie für eine fundierte Auswertung von Befunden?

Frane Ivasovic: Eine klare Anamnese und eine vollständige klinische Untersuchung (Vorhandensein oder Fehlen eines intensiven Herzgeräusches; angemessene Herzfrequenz? regelmäßig oder unregelmäßig?) sind unerlässlich.

So kann beispielsweise ein Hund mit Dyspnoe, der älter und kleinwüchsig ist, und zusätzlich ein starkes Linksherzgeräusch hat, möglicherweise ein Lungenödem aufgrund einer Mitralendokardiose haben. Wenn das Geräusch jedoch nicht vorhanden ist (und daher die Mitralregurgitation in der Regel nicht schwerwiegend ist), ist ein Lungenödem aufgrund eines Mitralklappenproblems weniger wahrscheinlich.

Im Falle einer EKG-Bewertung sollten die EKGs korrekt, mit angemessener Qualität und möglicherweise mehreren Ableitungen durchgeführt werden (einige Artefakte können leicht als Arrhythmien fehlinterpretiert werden, und die Verwendung mehrerer Ableitungen ermöglicht es, sie besser zu erkennen).

Wenn hingegen eine echokardiographische Bewertung erforderlich ist, sollte man versuchen, eines der oben genannten Protokolle zu befolgen. Ich persönlich finde es einfacher, wenn längere Schleifen gesendet werden (oft kann eine unerfahrene Hand keine perfekte Untersuchung liefern, aber aus dem Übergang von einer Projektion zur anderen können sich nützliche Informationen für den Spezialisten ergeben!).

Diplovets: Herr Ivasovic, haben Sie noch einen abschließenden Tipp?

Frane Ivasovic: Mit einer guten klinischen Untersuchung, einer Anamnese und ersten Tests (Röntgenaufnahmen und einem schnellen Notfall-Ultraschall) können meiner Erfahrung nach viele kardiologischen Notfallpatienten mit Hilfe von Telemedizin in die richtige Richtung gewiesen werden, so dass weiterer Stress beim Transport des Patienten vermieden wird.

Ein Tipp für den Fall, dass Sie eine Katze mit Dyspnoe haben und sich bei den ersten Ergebnissen nicht sicher sind: Ein erhöhtesÖffnet externen Link in neuem Fenster NTproBNP ist verdächtig für ein kardiales Problem! (7,8,9).

Und in dem bei einer Thorakozentese gewonnen Material, können Sie auch diesen Biomarker messen, ohne die Katze zu belasten und zusätzliches Blut abzunehmen! (10)

Ähnlich verhält es sich bei einem Patienten mit Herzrhythmusstörungen, bei dem ein gutes EKG bereits mögliche Interpretationen zulässt.
Und noch ein Tipp: Bei stabilen Patienten, bei denen die eigenen Untersuchungen keine eindeutigen Auffälligkeiten ergeben haben, kann eine echokardiographische Untersuchung durch einen Spezialisten immer von Vorteil sein.

 

 

Quellen:

1. DeFrancesco TC, Ward JL. Focused Canine Cardiac Ultrasound. Vet Clin North Am Small Animal Pract. 2021;51(6):1203–16.

2. Loughran KA, Rush JE, Rozanski EA, Oyama MA, Larouche-Lebel É, Kraus MS. The use of focused cardiac ultrasound to screen for occult heart disease in asymptomatic cats. J Vet Intern Med [Internet]. 2019 Jul 17;33(5):1892–901.

3. Boysen SR, Lisciandro GR. The Use of Ultrasound for Dogs and Cats in the Emergency Room AFAST and TFAST. Vet Clin North Am Small Animal Pract. 2013 Jul 1;43(4):773–97.

4. Ward JL, Lisciandro GR, Keene BW, Tou SP, DeFrancesco TC. Accuracy of point-of-care lung ultrasonography for the diagnosis of cardiogenic pulmonary edema in dogs and cats with acute dyspnea. Journal of the American Veterinary Medical Association. 2017 Mar 15;250(6):666–75.

5. Coleman MG, Robson MC. Evaluation of six-lead electrocardiograms obtained from dogs in a sitting position or sternal recumbency. Am J Vet Res. 2005;66(2):233–7.

6. Harvey AM, Faena M, Darke PGG, Ferasin L. Effect of Body Position on Feline Electrocardiographic Recordings. J Vet Intern Med. 2005 Jul;19(4):533–6.

7. Connolly DJ, Magalhaes RJS, Fuentes VL, Boswood A, Cole G, Boag A, et al. Assessment of the diagnostic accuracy of circulating natriuretic peptide concentrations to distinguish between cats with cardiac and non-cardiac causes of respiratory distress. J Vet Cardiol. 2009 May 1;11:S41–50.

8. Fox PR, Oyama MA, Reynolds C, Rush JE, DeFrancesco TC, Keene BW, et al. Utility of plasma N-terminal pro-brain natriuretic peptide (NT-proBNP) to distinguish between congestive heart failure and non-cardiac causes of acute dyspnea in cats. J Vet Cardiol. 2009 May 1;11:S51–61.

9. Ward JL, Lisciandro GR, Ware WA, Viall AK, Aona BD, Kurtz KA, et al. Evaluation of point-of-care thoracic ultrasound and NT-proBNP for the diagnosis of congestive heart failure in cats with respiratory distress. J Vet Intern Med. 2018 Sep 14;32(5):1530–40.

10. Humm K, Hezzell M, Sargent J, Connolly DJ, Boswood A. Differentiating between feline pleural effusions of cardiac and non-cardiac origin using pleural fluid NT-proBNP concentrations. J Small Anim Pract. 2013 Nov 7;54(12):656–61.

 

 

 

DiploVets bedankt sich vielmals für das interessante Interview - alles Gute für Sie, Frane Ivasovic!

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