29.Oct 2021

Interview mit DiploVets Co-Founder Dr. Oliver Gehrig: Telemedizin wird zum Standard werden

 

Vetproduction: Ihr Ziel ist es, die Qualität der tierärztlichen Leistungen zu verbessern, was meinen Sie damit genau?

Dr. Oliver Gehrig: Aus der Praxis weiß ich, dass das Wissen der Experten rasant zunimmt. Aber der Zugang zu Experten ist extrem minimiert und momentan nur wenigen, oft großen Zentren überlassen. In der Radiologie gibt es zudem Studien, die von 20 bis 30 Prozent Fehlinterpretationen bei Tierärzten ausgehen. Mit DiploVets haben nun fast alle Tierärzte die Möglichkeit, die Expertise von Diplomates anzufordern, um Fehlinterpretationen und dadurch Fehlbehandlungen zu vermeiden. Dies entspricht dem Ethos unserer Berufsordnung, in schwierigen Fällen Spezialisten im Interesse der Gesundheit und des Schutzes der Tiere hinzuzuziehen.

Vetproduction: Viele Tierärzte haben Angst, komplexe Fragen weiterzureichen, da es von den Tierbesitzern als Schwäche wahrgenommen werden könnte. Wie entgegnen Sie diesem Argument?

Dr. Oliver Gehrig: Dieses Argument begegnet uns nur noch selten. Die heutige Generation an Tierärzten sieht vor allem die Vorteile: Mit der Expertise der Diplomates senken sie ihr eigenes Stresslevel und haben einen klaren Plan zum weiteren Vorgehen. Der Wert der eigenen Leistungen wird mit der Expertise der Diplomates noch ergänzt. Eine Fehlinterpretation und mögliche Folgen wären für die Praxis demgegenüber der Verlust eines Kunden und möglicherweise auch an Reputation.

Vetproduction: Die Teleradiologie gilt hierbei als Vorreiter. Welche Vorteile haben Tierärzte Ihren Service in den anderen Fachgebieten zu nutzen?

Dr. Oliver Gehrig: Die Radiologie ist mit Sicherheit das erfahrenste, telemedizinische Fachgebiet. Dies liegt zum einen an den standardisierten Anfragen, zum anderen am Training der Experten für diese „Spezialdisziplin“. Generell profitieren Tierärzte aber ebenso in den anderen Fachgebieten. In der Kardiologie und der Onkologie sind EKG-Befundungen und Chemotherapieprotokolle – aufgrund von exakten Pathologieberichten – ebenso standardisierte Abläufe wie das Erstellen eines Ernährungsplans in der Tierernährung. In allen Fachgebieten steigt die Qualität der Expertisen durch eine exakte Untersuchung in der Praxis und der Bereitstellung einer ausführlichen Anamnese sowie Patientendaten.

Vetproduction: Die Kommunikation gilt bei der Telemedizin oft als Schwachstelle. Wie lösen Sie das Problem auf Ihrer Plattform?

Dr. Oliver Gehrig: Wichtig für uns war von Anfang an, dass wir von DiploVets, den Tierärzten als Ansprechpartner nicht nur während der Bürozeiten zur Verfügung stehen. Gerade bei offenen Fragen zu Berichten wissen wir, wie wichtig es ist, schnell zu reagieren und diese nachzufordern. Um die Kommunikation zwischen Tierarzt und Experte noch weiter zu steigern, ist es nun möglich, fallbezogene Fragen über eine Kommentarbox direkt an den mit dem Fall betrauten Experten zu adressieren.

Vetproduction: In der Radiologie und auch in den anderen Fachgebieten bieten vor allem Überweisungszentren kostenlose Zweitmeinungen für ihre überweisenden Kollegen an. Warum sollten Tierärzte Ihren Service nutzen?

Dr. Oliver Gehrig: Große Zentren sehen sich in der Pflicht, Anfragen am Abend kostenlos zu beantworten, was dann oft zu Frust auf deren Seite führt, da hierfür unheimlich viele Ressourcen benötigt werden. Mit der steigenden Spezialisierung und den wenigen Ressourcen wird es essentiell sein, dass praktizierende Tierärzte ihre Expertise am Patienten einsetzen und weniger am Computer. Bei DiploVets sehen wir, dass viele Kliniker sehr glücklich darüber sind, an unseren Service verweisen zu können. Dies schont ihre Ressourcen und lässt ihnen mehr Zeit am Patienten.

Vetproduction: Experten gelten generell als teuer. Welche Kosten entstehen durch Ihre Leistungen und wie können diese dem Tierbesitzer vergütet werden?

Dr. Oliver Gehrig: Die Kosten sind für die Tierbesitzer überschaubar. Die Experten sparen in vielen Fällen den Besuch bei einem weiteren Tierarzt und reduzieren somit auch viel Stress bei den Tieren. Die standardgemäße Röntgenbeurteilung (drei Bilder) kostet 40 Euro, eine Therapieberatung in den meisten Fachgebieten 80 Euro. Kostenintensiv sind CT- und MRT-Befundungen, da diese auch für den Experten ausgesprochen viel Zeit in Anspruch nehmen. Um gemäß der GOT abzurechnen, sollten die Befundkosten 1 : 1 weitergegeben werden. Aufschläge können über den Zeitaufwand für die Fallbereitstellung und die Besprechung der Befunde (GOT §7 - Verweis auf GOT 10 & 11) in Rechnung gestellt werden.

Vetproduction: Eine letzte Frage: In welche Richtung wird sich die Telemedizin Ihrer Meinung nach entwickeln?

Dr. Oliver Gehrig: Die Telemedizin wird durch ein schnelleres Internet, moderne Praxisprogramme und Technologien zum Standard in fast jeder Praxis werden. Integrationen durch Schnittstellen werden die Anbindung der Systeme an Experten erleichtern. In Zukunft werden diese zudem durch die Daten aus Vitaltrackern ergänzt. Ebenso wird es nicht mehr lange dauern, bis die künstliche Intelligenz auch in der Tierarztpraxis Einzug hält.