09.Jul 2021

Internistik: Morbus Addison

 

Morbus Addison - Anzeichen und Relevanz im Praxisalltag

The great pretender- kaum eine Erkrankung hat so viele Gesichter wie der Hypoadrenokortizismus.

Da Glukokortikoide (Kortisol) an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt sind, kann sich ein Mangel auf verschiedenste Art und Weise äußern. Für den Praktiker ergibt sich daher häufig kein klares klinisches Bild bzw. die Symptomatik lässt zunächst verschiedenste Organerkrankungen (Niereninsuffizienz, Magen-Darm-Erkrankungen) vermuten.

Hypoadrenokortizismus - mögliche klinische Anzeichen

  • (chronischer, episodenartiger) Durchfall mit/ohne Vomitus
  • Lethargie
  • schlechte Körperkonstitution (mangelnde Gewichtszunahme oder Bemuskelung, Infektanfälligkeit etc.)
  • Anorexie
  • Zittern
  • Abdominalschmerz
  • Zittern
  • Polyurie/Polydipsie
  • Bradykardie und/oder Hypotension
  • Dehydratation
  • Verschlechterung des Zustandes bzw. Verstärkung der Symptome in Stresssituationen

Viele Addison Patienten werden wiederkehrend mit unklarer und häufig wechselnder Symptomatik in der Praxis oder Klinik vorstellig und sprechen auf eine Verdachtsbehandlung mit einem Glukokortikoidpräparat gut an. Andere werden erst im Zustand der akut lebensbedrohlichen Addison-Krise vorstellig.

Labordiagnostik - was ist zu tun?

Mögliches Vorgehen bei Verdacht auf einen Morbus Addison:

  • Ausführliche Anamnese: Frage nach Krankheitsepisoden, Symptomatik und Allgemeinverhalten des Patienten sowie bereits erfolgter Behandlungen
  • Erstellung eines vollständigen Blutbildes inkl. Differentialblutbild und venöser Blutgasanalyse
  • Bestimmung des Basalkortisolwertes: Gut geeignet zum Ausschluss der Erkrankung, wenn basaler Kortisolwert über 2 µg/dl (Lennon et al. 2007) - jedoch nicht zur alleinigen Diagnostik geeignet
  • ACTH-Stimulationstest: Goldstandard - muss zur Diagnose durchgeführt werden (beinhaltet Basalkortisolwert)
  • weitere fallbezogene Diagnostik wie:
    • Röntgen - Auffälligkeiten bedingt durch Hypovolämie: Mikrocardia, schmale Lungengefäße und eine dünne Vena cava caudalis, ggf. Leberverkleinerung, selten Megaösophagus ; in seltenen Fällen weitere bildgebende Diagnostik erforderlich
    • Ultraschall -  ggf. Organverkleinerung der Nebennieren (Darstellung diagnostische Herausforderung), Ausschluss anderer Organveränderungen
    • Harnstatus
    • EKG bei hgr. Hyperkaliämie oder auffälliger Auskultation

Mögliche labordiagnostische Hinweise auf M. Addison

Elektrolytwerte

  • Hyponatriämie
  • Hyperkaliämie
  • Natrium/Kalium Quotient < 27:1 (< 25: 1)
  • Hypochlorämie
  • Hypercalcämie

Differentialblutbild:

  • Eosinophilie
  • Lymphozytose
  • Neutropenie
  • Neutrophilen-Lymphozytenquotient <2.3
  • → insgesamt fehlendes Stressleukogramm

weiteres:

  • (milde) normozytäre, normochrome Anämie (nicht regenerativ) - teilweise erst nach Rehydratation sichtbar
  • prärenale Azotämie inkl. Phosphaterhöhung
  • Hypoglykämie (hypoglykämische Krampfanfälle in seltenen Fällen möglich)
  • Hypoalbuminämie
  • spezifisches Gewicht Harnstatus: 1.015-1.030 (CAVE: bei prärenaler Azotämie ist das spez.Gew. meist über 1.030 - bei M. Addison jedoch in den meisten Fällen nicht)
  • erhöhte Leberwerte

Zwei wichtige Hinweise:

1.) CAVE: Die Kombination aus Azotämie, spezifischem Gewicht < 1030 und /oder Hypoalbuminämie birgt die Gefahr, dass von einer Niereninsuffizienz ausgegangen wird.

2.) Beim “atypischen Hypoadrenokortizismus” (ca. 5-10% der Addison-Patienten) liegt (noch!) kein Aldosteronmangel vor. Die Patienten zeigen deshalb keine typischen Elektrolytverschiebungen im Blut (Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Hypochlorämie).
Sie sind jedoch engmaschig zu überwachen, damit keine Addison-Krise durch einen plötzlichen Aldosteronmangel (entwickelt sich häufig innerhalb des ersten Jahres) provoziert wird.

Fazit:

Morbus Addison ist zwar eine eher seltene endokrine Erkrankung, jedoch ist von einer (relativ hohen?) Dunkelziffer an unerkannten Fällen auszugehen. Die Diagnostik kann durch die hohe Variabilität der Laborwerte durchaus zur Herausforderung werden.

Bei unklarer Symptomatik mit schwankenden Krankheitsepisoden, wiederkehrenden gastrointestinalen Symptomen oder erhöhten Nierenwerten sollte ein Hypoadrenokortizismus als mögliche Differentialdiagnose mit einbezogen werden.
Der Erkrankung kann deshalb durchaus eine gewisse Relevanz im Praxisalltag zugeschrieben werden.

Wenn auch sehr selten können auch Katzen an M. Addison erkranken.

Die Diplomates ECVIM/ ACVIM von Diplovets stehen Ihnen für Rückfragen zur Diagnostik und Therapie endokrinologischer Herausforderungen jederzeit zur Verfügung.

 

Literaturverzeichnis: Auf Anfrage

 

Autorin des Artikels:

Tierärztin med. vet. Julia Brüner