Fall des Monats: 4 Monate alter EKH, schmerzhaft, lethargisch und mit Laufunlust nach Fenstersturz vor einigen Wochen
Signalement und Anamnese
- Europäischer Kurzhaarkater, 4 Monate, männlich
- Ist vor ein paar Wochen aus dem Fenster im ersten Stock gefallen. Seitdem ist er schmerzhaft, lethargisch und läuft ungern
Zur weiteren Abklärung wurden folgende Röntgenbilder angefertigt:
Röntgenbeschreibung
- Die Knochen sind alle deutlich und diffus in ihrer Röntgendichte vermindert
- In der distalen Diaphyse des rechten Oberschenkelknochens befindet sich eine unvollständige, unregelmäßige Frakturlinie mit zugehöriger Faltung des Knochens. An dieser Stelle besteht eine seitliche und kraniale Abwinkelung der Knochenachse und das distale Fragment ist leicht nach kranial verschoben
- In der proximalen Diaphyse des linken Femurs findet sich eine ähnliche vollständige Frakturlinie mit deutlicher Sklerose in der Umgebung
- Außerdem ist in der seitlichen Projektion eine abnormale Knochenachse mit Krümmung der Diaphyse der rechten proximalen Tibia nach kranial und medial zu erkennen, die mit transversalen röntgendichten Wachstumsstillstandslinien („growth arrest lines“) einhergeht
- Der Beckenknochen ist in der vorliegenden Aufnahme verkippt, erscheint aber ansonsten lateral komprimiert und eingedrückt.
Diagnose
- Schwere metabolische Knochenerkrankung
- Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen ernährungsbedingten sekundären Hyperparathyreoidismus mit schwerer Knochenresorption aufgrund einer ungeeigneten Ernährung
- Zahlreiche sekundäre pathologische Faltungsfrakturen, die auf den wahrscheinlichen sekundären Hyperparathyreoidismus zurückzuführen sind
- Diese Frakturen betreffen den distalen rechten Femur und den proximalen linken Femur
- Außerdem sind Wachstumsstörungen im Bereich der rechten Tibia und der Beckenknochen erkennbar
- Frakturen des Beckens können ebenfalls vorhanden sein, allerdings sind die Beckenknochen so stark resorbiert, dass dies schwer zu beurteilen ist
Ausgang
- Die Behandlung beschränkt sich auf kurzfristige parenterale Kalziumglukonat-Injektionen, eine ausgewogene Ernährung und Käfigruhe
- Der Patient befindet sich aktuell in Rehabilitation
Diskussion
- Die ernährungsbedingte sekundäre Hyperparathyreoidismus (NSH) ist eine Stoffwechselstörung, bei der Knochen normal produziert, aber aufgrund übermäßiger Knochenresorption Osteopenie auftritt
- Sie wird durch eine Ernährung verursacht, die einen Überschuss an Phosphat, einen Mangel an Kalzium oder beides bereitstellt. Betroffene Tiere wurden normalerweise hauptsächlich mit Fleisch, Organen oder beidem gefüttert. Dies führt zu ausreichend Phosphat, aber unzureichend Kalzium und einem ungünstigen Kalzium-Phosphor-Verhältnis im Futter. Diese Ungleichgewicht führt zu niedrigem Kalzium im Blut, was die Ausschüttung von Parathormon (PTH) erhöht. PTH versucht, den Kalzium- und Phosphatspiegel im Blut zu normalisieren, indem es Knochenmineralien abbaut, die Darmresorption von Kalzium erhöht und die renale Phosphatausscheidung fördert. Die fortgesetzte Aufnahme dieser unausgewogenen Ernährung erhält den Zustand aufrecht und führt zu fortschreitender Skelettdemineralisierung und klinischen Symptomen
- Bei jungen Tieren äußert sich dies in Lahmheit, Unwilligkeit zu stehen oder zu gehen, Skelettschmerzen und gelegentlich Fieber
- Röntgenaufnahmen zeigen verringerte Knochendichte, dünnere Kortizes und manchmal Frakturen. Das Wachstumsfugen sind normal, aber die Metaphysen können eine pilzförmige Form aufweisen. Eine relativ erhöhte Röntgendichte tritt in den Metaphysen in der Nähe der Wachstumsfugen auf, was die Stelle der primären Mineralisierung darstellt
Für die DICOM-Ansicht der Röntgenaufnahmen steht der Fall unter folgendem Link zur Verfügung:
www.veheri.com/cases/1184546785
Wir danken Dr. ECVDI Thorsten Rick für diesen Fallbericht!
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