24.Jun 2022

Anästhesie: Das Schmerzgedächtnis


Akuter Schmerz wird definiert als Schmerz mit einer Dauer unter 3 Monaten. Dieser hat i.d.R. eine protektive Funktion und ist meist mit passenden Analgetika gut bis sehr gut behandelbar.

Warum eine frühzeitige ausreichende Analgesie notwendig ist

Wird akuter Schmerz nicht ausreichend behandelt, kann eine Verselbstständigung des Schmerzes erfolgen - das sogenannte Schmerzgedächtnis entsteht.

Obwohl die eigentliche Ursache für den akuten Schmerz nicht mehr besteht, dauern die Schmerzen weiter an, die eigentlich protektive Funktion (Warnfunktion) kehrt sich in ein eigenständiges Krankheitsbild um.
Diese chronischen Schmerzen zeichnen sich häufig durch eine erhöhte Sensibilität betroffener Bereiche aus (Hyperalgesie, Allodynie) und auch deren Therapie ist wesentlich schwieriger als die des Akutschmerzes, denn das Ansprechen von Analgetika ist hier meist deutlich reduziert.

Chronische Schmerzen haben nicht nur starken Einfluss auf die Lebensqualität sondern auch auf diverse Körperprozesse wie:

  • erhöhte Infektanfälligkeit/Immunsuppression
  • mentale Effekte: Ermüdung und Erschöpfung, verminderte Schlafqualität, zerebrale Dysfunktionen, Gereiztheit
  • Durchblutungsstörungen
  • Inappetenz
  • Muskelatrophie (Inaktivität)
  • Tumoraktivität

…und damit auf die allgemeine Gesundheit unserer Patienten.

→  Ziel der Schmerztherapie ist es also auch, die Entstehung dieses Schmerzgedächtnisses durch ein frühzeitiges Schmerzmanagement zu verhindern bzw. das Risiko zu senken. Vorraussetzung dafür ist eine möglichst frühzeitige Öffnet externen Link in neuem FensterSchmerzerkennung.

Besonders wichtig ist ein frühzeitiges Schmerzmanagement bei Vorhandensein einer Osteoarthrose, da sich diese durch starke Schonung im Laufe der Zeit verschlimmert und weiter chronifiziert.

Die Therapie des chronischen Schmerzes umfasst ein multimodales Management aus:

  • Gewichtsreduktion (!)
  • Physiotherapie
  • komplementärer Medizin wie Laser, Akupunktur
  • Ernährungsanpassung
  •  der (kombinierten) Gabe von Analgetika
  • in manchen Fällen auch operative Eingriffe

Tipps rund um den Schmerz:

  • bei älteren Patienten ab ca. 7 Jahren möglichst zeitnah bildgebende Diagnostik durchführen (Osteoarthrose, resorptive Läsionen/andere Zahnerkrankungen, Tumordetektion)
  • diagnostische Therapie : Versuchsweise Gabe von Schmerzmitteln (ausreichend dosiert, auch Kombinationen mehrerer Analgetika) kann versucht werden, bevor an ein echtes Verhaltensproblem (Aggression) gedacht wird
  • Kombination von Analgetika: Synergieeffekt (kombinierte Schmerztherapie) - kann Einzeldosis senken aber Effekt wird potenziert ; besonders erforderlich und effektiv bei chronischen Schmerzen
  • Alter oder Vorerkrankungen sind kein vernünftiger Grund, einem Patienten eine Schmerztherapie abzulehnen. Es stehen genügend Mittel zur Verfügung, die auch bei polymorbiden Patienten angewendet werden können und sollten.
  • bei dauerhafter Gabe von NSAID´s regelmäßige Laborkontrollen der Organparameter sowie des kleines Blutbildes
  • im Rahmen einer Operation unterbrechen Lokalanästhetika die lokale Schmerzweiterleitung und vermindern so Allodynie und Hyperalgesie  - der Einsatz ist daher auch in der Zahnmedizin sinnvoll und findet zunehmend Anwendung
  • um das Risiko von Phantomschmerzen bei einer Gliedmaßenamputation möglichst zu reduzieren, hat es sich daher bewährt, vor der Durchtrennung des Nerves diesen mittels Lokalanästhesie großzügig zu anästhesieren (ausreichende Wirkungszeit lassen!)

 

Literaturverzeichnis: Auf Anfrage

Autorin des Artikels:

Tierärztin med. vet. Julia Brüner